Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen
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Predigt zu Matthäus 7,24-27 9. Sonntag nach Trinitatis (1. August 1999) Vikar Martin Jensen Wochenspruch: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man um so mehr fordern. Lk 12,48 Predigttext Mt 7,24-27: Jesus sprach: Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß. Liebe Gemeinde, Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man um so mehr fordern. Mit diesem Wochenspruch aus dem Lukasevangelium haben wir den Gottesdienst begonnen. Jesus zieht mit diesen Worten ein Fazit. Er hat seinen Jüngern erzählt, daß das Reich Gottes ganz unerwartet kommen wird, wie ein Dieb in der Nacht. Er will, daß gläubige Menschen sich in ihrem Leben auf das Reich Gottes vorbereiten. Menschen, die diesen Willen Gottes kennen und ihn tun, werden vor Gott Gnade finden. Menschen dagegen, die den Willen Gottes kennen, aber nicht danach handeln, werden verloren sein. Eine Forderung, die konsequent, aber hart erscheint. Trotzdem ist sie unklar: Was bedeutet es, den Willen Gottes zu tun? Ob uns der Predigttext hierbei weiterhilft? Die so bildhaften Worte Jesu über den Hausbau auf Felsen verleiten einen Prediger, sofort über das Bauen von Häusern oder den Sinn eines guten Fundamentes zu sprechen. Wer Gott vertraut, hat auf Fels gebaut. so könnte man diesen Predigttext zusammenfassen. Dabei würde sich als Predigtort eher der Anbau am Kindergarten der beiden Gemeinden St. Jürgen und St. Johannis anbieten. Dort könnten wir, zwischen Zimmerleuten und Maurern über die Notwendigkeit eines guten Fundaments viel erfahren. Aber Vorsicht. Auch in diesem Text wird eigentlich nur eine Gegenüberstellung von zwei Menschentypen vorgenommen. Die Eindrücklichkeit des Bildes vom Haus, das auf Felsen gebaut ist, verstellt den Blick auf die Kernaussage. Am Anfang sagt Jesus: Wer meine Rede hört und tut sie. Und wenig später: Wer meine Rede hört und tut sie nicht. Haben Sie den feinen Unterschied bemerkt? Zwei Menschen hören die Worte Jesu, die frohe Botschaft, das Evangelium. Für beide ist das Wort Gottes wichtig. Doch einer hört und handelt, der andere hört ebenfalls, handelt aber nicht. Nicht das Hören unterscheidet diese Menschen, sondern die Konsequenzen. Erst durch das Handeln wird ein Mensch wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Felsen baut. Wie ein törichter Mann ist jener, der Jesu Worte hört, sie aber nicht in Aktion umsetzt. Hey, werden Sie doch endlich mal konkret könnten Sie jetzt mit Recht heraufrufen. Was will Jesus denn? Nein, das will ich nicht. Ich muß nicht konkret werden. Jesus selbst ist 3 Kapitel lang, direkt vor unserem Predigttext, herrlich konkret. Er steht auf einem Berg in Israel, eine große Menschenmenge um sich und fordert sie heraus. Er geht z.B. die Zehn Gebote durch, seit Mose uns Menschen gegeben. Zu jedem Gebot gibt er eine Auslegung, die es in sich hat. Hier macht Jesus klar, was er unter Hören und Tun versteht. Wenn Jesus diese Rede im Bundestag halten würde, ich sage Ihnen, die Glaskuppel würde zerspringen bei der hitzigen Debatte. Eine der eindrücklichsten Stellen ist meines Erachtens seine Auslegung des 6. Gebotes: Du sollst nicht töten. Jesus erhebt seine Stimme: Ihr wißt, daß unseren Vorfahren gesagt worden ist: Du sollst nicht töten. Wer tötet, soll vor Gericht gestellt werden. Ich aber sage euch: Schon wer auf seinen Bruder oder seine Schwester zornig ist, gehört vor Gericht. Wer zu seinem Bruder oder zu seiner Schwester sagt: Du Idiot, gehört vor das oberste Gericht. Und wer zu seinem Bruder oder seiner Schwester sagt: Geh zum Teufel, gehört ins Feuer der Hölle. Uff, das ist ganz schön heiß. Welche Herausforderung! Die Tötung eines Menschen mit einer Beschimpfung gleichzusetzen. Warum tut Jesus das? Schließlich muß ich doch meinem Ärger über einen anderen Luft machen können. Ärgern macht vielleicht häßlich, so ein Sprichwort, aber wir ärgern uns oft. Über die zu kleinen Brötchen beim Bäcker, die vollen Busse oder den Partner, der gerade wieder laut und falsch singt. Warum sollte dies so schlimm sein? Dazu möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen. In meiner Heimatgemeinde in Hamburg war es üblich, daß der Küster für Sitzungen vom Kirchenvorstand Erfrischungen zurechtstellte. Nennen wir den Küster mal Herrn Knuth. So stand die nächste Kirchenvorstandssitzung am einem Dienstagabend im Hochsommer an. Es war so heiß, wie heute und Erfrischungen sehr willkommen. Mein Gemeindepastor und ich kamen als Erste in den Sitzungsraum. Die Tische waren korrekt zusammengestellt, Tischdecken waren aufgelegt, Gläser standen bereit, aber die Getränke fehlten. Sie hätten das Gesicht meines Pastors sehen sollen, es wurde länger und länger ... Und dann entfuhr es ihm: Oh, Knuth, wo hast Du die Getränke gelassen? Das darf doch nicht wahr sein. Er schimpfte noch etwas mehr. So gingen wir auf die Suche. Weder in der Küche, noch in der Speisekammer standen Kisten. Schließlich öffnete ich die Tür zum Büro und fand im Kühlschrank alle Getränke gekühlt. Nun beeilten wir uns, die Saft-, Sprudel und Bierflaschen auf den Tischen zu verteilen. Der Pastor murmelte währenddessen: Nein, so was. Aber durch das Finden der Getränke und das laute Schimpfen nahm sein Ärger ab. Der Küster Knuth wurde letztendlich nicht ermahnt. An dieser Begebenheit wird deutlich, wie wichtig es sein kann, sich zu ärgern, zumindest, wenn der Verursacher nicht anwesend ist. Ärgern kann sowohl dem Geärgerten als auch dem Verursacher der Situation nützen. Schließlich hat der damalige Küster Knuth von diesem Ärgernis nie etwas erfahren. Hier könnte die Geschichte eigentlich zu Ende sein, doch es gibt noch eine Pointe. Als ich nach dem Hinstellen der Getränke zufällig auf die Wand neben der Tür schaue, sehe ich dort eine Zettel kleben, der in großen Buchstaben beschrieben ist. Ich lese: Mußte leider früher gehen. Habe die Getränke im Kühlschrank im Büro kalt gestellt. Hoffe, das war richtig. Schönen Abend noch. Der Küster. Zuerst guckte ich ganz ungläubig auf diesen Text. Dann habe ich laut gelacht, so richtig von Herzen. Mein Pastor kam herein und sah mich unverwandt an. Ich sagte nur: Lesen Sie, wie gewissenhaft unser Küster ist. Wir hätten nur die Augen aufmachen müssen. Wir haben uns ganz zu Unrecht geärgert. Ja, wir hatten unseren guten Küster völlig zu Unrecht einer Nachlässigkeit verdächtigt. Unser Ärger hatte zwar gut getan, aber nötig wäre er nicht gewesen. Diese Geschichte zeigt, wie schnell der eigene Ärger einen anderen ungerechtfertigt treffen kann. Oder anders gesagt: Wir haben über einen Menschen vorschnell geurteilt, zu Gericht gesessen. Indem wir ihn mit unserem Ärger zudecken, tun wir ihm Unrecht. Sie merken schon, in unserer Sprache stecken lauter Worte aus der Gerichtssprache. Vielleicht ist dies eine Möglichkeit, die Worte Jesu zu verstehen, der sagt: Schon wer auf seinen Bruder oder seine Schwester zornig ist, gehört vor Gericht. Wenn ich einen Menschen aus Ärger beleidige, oder ihn gern zurechtweisen würde, stehe ich in der Gefahr, ihm Unrecht zu tun. Vielleicht wollte mein Mitmensch mich gar nicht ärgern. Und wie fühlt sich der Gescholtene? Oft verstummt er, als ob er tot wäre. Er stört uns nicht mehr, stört unsere Lebensgewohnheit nicht mehr. Aber Gott sieht ins Herz. Er hört das Klagen des Beschimpften: Ich werde nicht gemocht, ich werde nicht geliebt. Warum werde ich abgelehnt? Gott hört dieses Klagen, diesen Seufzer. Und Gott erkennt, daß wir gegen eines der wichtigsten Gebote verstoßen: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. Oder in den Worten Jesu in der Bergpredigt gesagt: Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt - das ist es, was alle Gebote und Propheten der Bibel fordern. Dabei ist uns die negative Formulierung sogar als Sprichwort vertraut: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Jesus sagt: Wer meine Rede hört und tut sie. Wenn wir uns ärgern, darf der Ärger nicht das letzte Wort haben. Sonst sprechen wir in unserem Ärger ein endgültiges Urteil über den anderen, wie z.B. Geh zum Teufel Dies Urteil disqualifiziert uns selbst. Wir erkennen in dem anderen Menschen nicht mehr ein Geschöpf Gottes. Er ist für uns tot. Jesus will uns diese Gefahr drastisch vor Augen führen. Der Ärger muß nicht das letzte Wort haben. Weil Gott uns und jeden Menschen liebt, können wir versuchen, auf den beschimpften Mitmenschen zuzugehen, ihn nicht allein zu lassen. Wir können ihn z.B. fragen, warum er etwas gesagt oder getan hat, das uns ärgerte. Denn auch mit einer schnellen Entschuldigung können wir einen Menschen stehenlassen. Nur wenn wir miteinander sprechen, lernen wir einander besser kennen und schätzen. Aus einem Geh zum Teufel wird ein Geh nicht weg. Bleib da. Dann erhalten wir die Chance, am anderen Menschen Entdeckungen zu machen. Ja, es ist nicht auszuschließen, daß unsere Neugier erwacht und wir einen neuen Freund gewinnen. So kann aus Ärger Hochachtung werden. Wenn wir uns durch die Liebe Gottes auch im Ärger anstecken lassen, dann kann zwischenmenschliche Liebe und Verstehen gedeihen. Liebe schafft Beziehungen. Diese Liebe ist wie ein Fels, auf dem wir unser Leben unter der Gnade Gottes weiterbauen können. Die kräftigen Worte Jesu in der Bergpredigt wollen uns wachrütteln, unseren Mitmenschen gegenüber Gottes Liebe zum Klingen zu bringen. Liebe schafft Beziehungen, Ärgern schafft Abgrenzung und Vereinsamung. Unser Leben versinkt im Ärger wie ein Haus im Sand. Die Liebe Gottes in uns ist der Felsen, auf dem wir bauen können. Wenn wir Jesu Worte hören und tun sie. Dann sind wir wie Männer und Frauen, die ihr Haus auf Fels bauten. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Amen
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